Entmythologisierung

Entmythologisierung, auch Entmythisierung, ist allgemein der Versuch, eine in einem Mythos oder in mythischer Sprache tradierte Anschauung auf ihren Wirklichkeitsgehalt hin zu untersuchen und die eigentliche Aussageabsicht herauszuarbeiten.[1]

Historisch hat sich schon das Christentum als Überwindung des Mythos verstanden, indem es den Monotheismus an die Stelle des Mythos setzte. Die antiken Götter sanken zu bloßen Allegorien herab; so stand Mars für Krieg, Venus für Liebe usw. Doch auch die Geschichten und die Sprache der Bibel wurde unter dem Einfluss der humanistischen Bildung, die auf einem entmythisierten und rationalisierten Antikenverständnis beruhte, in der Neuzeit nach und nach entmythologisiert. Auch sie verflachten zu Allegorien und erlitten somit ein ähnliches Schicksal wie die antiken Göttergeschichten, während gleichzeitig geistliche Mächte remythisiert wurden, z. B. durch das Systemdenken der Scholastik, durch die kirchliche Anerkennung von Wundern in der Neuzeit oder den periodischen Vollzug von Reue und Buße zu bestimmten Zeitpunkten wie Ostern. So treten Entmythisierung und Remythisierung in der Geschichte in ein komplexes Wechselspiel: Alte Mythen wurden im Namen der Vernunft bekämpft, aber durch neue ersetzt.

  1. Sachkunde Religion, hg. von Gert Otto, Furche/Patmos, Hamburg/Düsseldorf 1970 (2), S. 251

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